Ehemaliger Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann übt Selbstkritik an der deutschen Autoindustrie
Angesichts der aktuellen Herausforderungen der deutschen Automobilindustrie zeigt sich der frühere Chef von Ford Deutschland, Gunnar Herrmann, selbstkritisch. In einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger reflektierte er die Fehler der Branche und äußerte sich offen zur aktuellen Krise. „Wir als deutsche Autoindustrie haben zu lange stillgestanden und waren möglicherweise zu sehr von unserem eigenen Erfolg geblendet“, sagte Herrmann, der heute im Aufsichtsrat des US-Autobauers sitzt.
Alte Erfolgsrezepte funktionieren nicht mehr
Herrmann machte deutlich, dass die bewährten Verkaufsstrategien der Vergangenheit, wie sie beispielsweise für Modelle wie den VW Golf oder den Ford Focus gegolten haben, nicht mehr greifen. „Früher konnten wir uns auf Millionenverkäufe solcher Fahrzeuge verlassen, aber diese Zeiten sind vorbei“, erklärte er. Statt innovativ nach vorne zu schauen, habe die Branche zu oft auf frühere Erfolge gesetzt. „Wir blicken zurück auf die glorreichen Zeiten und denken, dass wir einfach so weitermachen sollten, weil es damals gut lief“, kritisierte Herrmann.
Kritik an der politischen Unsicherheit
Neben den Fehlern der Industrie selbst sparte Herrmann auch nicht an Kritik an der Politik. Er betonte, dass die mangelnde Verlässlichkeit seitens der Politik die Lage verschärft habe. Insbesondere die Diskussion um das Ende des Verbrennungsmotors habe für Unsicherheit gesorgt – sowohl bei den Verbrauchern als auch bei der Industrie und den Investoren. Ein Beispiel dafür sei die Förderung von Elektroautos. Als diese 2020 eingeführt wurde, sei die Nachfrage stark gestiegen, doch dann habe man die Förderung abrupt gekürzt. „Diese Entscheidung hat den Markt kollabieren lassen, weil die Menschen verunsichert wurden“, erklärte Herrmann. Für die Automobilindustrie, die bereits Milliarden in den Umbau hin zur Elektromobilität investiert habe, sei das ein herber Rückschlag.
Unsichere Zukunft für E-Mobilität
Auch im Hinblick auf die Elektromobilität äußerte sich Herrmann skeptisch. Viele Hersteller würden aufgrund der unsicheren politischen Rahmenbedingungen ihre Investitionen in E-Autos zurückfahren. Es fehle an verlässlichen Richtlinien, die der Branche eine klare Richtung vorgeben.
Bezogen auf Ford erklärte Herrmann, dass der Automobilhersteller früh erkannt habe, dass die Elektromobilität erst ab 2027/2028 profitabel sein werde. Allerdings habe sich die Situation durch die Marktentwicklung weiter verschlechtert. Im Kölner Werk von Ford sollen zukünftig ausschließlich Elektrofahrzeuge wie der Explorer und der Capri gebaut werden, doch die Produktionskapazität von bis zu 250.000 Fahrzeugen pro Jahr werde derzeit nicht voll ausgeschöpft. „Das gilt nicht nur für Ford, sondern für die gesamte Industrie. Wenn die Kapazitäten nicht ausgelastet werden, verlieren Investoren das Interesse, weil die Rendite zu gering ausfällt“, warnte Herrmann.
Die Aussagen von Gunnar Herrmann verdeutlichen die tiefgreifenden Herausforderungen, vor denen die deutsche Automobilindustrie steht. Sowohl die eigene Selbstzufriedenheit als auch die politische Unsicherheit haben die Branche in eine schwierige Lage gebracht, aus der sie sich nur durch grundlegende Veränderungen befreien kann.